Gespräch mit Kenji Hayashi aus Hannover. Teil 1

»Shizentai« – sprechen Sie dieses Wort einmal aus. Shiiizentaiii – spüren Sie die Entspannung, das lockere und leicht Schwingende?

Kenji Hayashi in seinem Dojo in Hannover.
Kenji Hayashi in seinem Dojo in Hannover.

Seit dreizehn Jahren besteht dieses Dojo in der Dietrichstrasse und davor gab es bereits fast dreieinhalb Jahre ein »kleines Dojo« in Hannover. Was hat Dich vor ca. 17 Jahren nach Deutschland bewegt, Kenji? Kenji Hayashi: Ulla ist in Japan krank geworden und ich sah es als eine Chance für mich, in Deutschland Fuss zu fassen. Die Genesung von Ulla wäre ausserdem in Japan nicht so einfach gewesen. So konnte ich denn ein Dojo eröffnen. Ich habe mich für einen neuen Lebensabschnitt entschieden. Wie, wo hast Du in Japan Aikido trainiert? Ich war acht Jahre bei Meister Tada, dort habe ich von Morgens bis Abend am Training teilgenommen. So wurde ich Assistent und leitete auch manchmal das Kindertraining. Ich war damals dritter Dan Aikido. Dann sind wir nach Deutschland gegangen. Wir? Ulla Hayashi: Ja, wir, ich war damals in Japan. Was hast Du in Japan gemacht, Ulla? Ich habe früher schon Aikido praktiziert und war dabei, Töpferei zu lernen, ich bin »Grünplaner«(Landschaftspflege), um beides besser praktizieren zu können, bin ich nach Japan gegangen. Durch eine japanische Freundin, die ihrerseits japanische Töpfer kannte, wurde mir das natürlich erleichtert. Wie das Leben so spielt... Ihr habt Euch dort also kennen gelernt. Es war eine gemeinsame Entscheidung, nach Deutschland zu gehen und ein Dojo zu eröffnen. Warum ist es so schwierig, in Japan ein Dojo zu eröffnen. In der Region Tokyo, in der wir lebten, hat es zum einen viele hochrangige Aikidoka. Es ist in Tokyo auch nicht sehr einfach, Räume für private Zwecke zu finden oder ein Dojo zu mieten. Kostenmässig ist das schier unmöglich. Des weiteren hatte ich die Vorstellung, nicht nur Aikido zu vermitteln und zu üben, ich wollte in meinem Tun auch einen gesundheitlichen Aspekt mit hinein bringen. Der Gedanke kommt natürlich auch aus meiner Vergangenheit, denn ich habe eine Ausbildung für Shiatsu und Akupunktur, beides übte ich in Japan aus. Zwar ist Shiatsu und Akupunktur etwas typisch Japanisches, aber ich konnte mir nicht vorstellen, mich damit und mit einem Dojo etablieren zu können. Durch die Erzählungen und Erfahrungen meiner Frau Ulla schien es – und ist es ja nun auch – »einfacher«, dies in Deutschland zu tun. Wenn ich Gesundheit und Aikido verbinde, bin ich dann immer noch auf dem Weg von O'Sensei? Gesundheit bedeutet für mich, ein natürliches Leben führen, das stark mit körperlicher Gesundheit einher geht. Ich, der O'Sensei nicht erlebte, las und hörte aber immer wieder, dass er, vor allem im Iwama, früh aufstand und vor den Göttern betete und ein einfaches, schlichtes Leben führte. Das verstehe ich unter einem einfachen, gesundheitsbezogenen Leben. Das können wir auch auf hier beziehen und konsequent leben. Wo bleibt da die Kampfkunst? Ist Aikido eine Kampfkunst? Für mich ist Verteidigung, das spüre ich in der letzten Zeit immer mehr, sehr wichtig – das Wichtigste schlechthin. Die Körperachse gerade halten, den Schwerpunkt – »tanden« – ausloten. Wenn ich das in einem noch weiteren, grösseren Radius betrachte, bedeutet die absolute Selbstverteidigung, dass ich den eigenen Körper gerade ausrichte, nicht verdreht, nicht gebeugt, sondern gerade bin. Erst dann bewege ich mich richtig, nämlich von der Mitte her, dann kommt auch ein gerader aufrechter Gang zustande, ohne Belastung der Wirbelsäule. Auf das kommt es in meinen Augen an. Ob ich nun Aikido, Kendo oder egal was mache – alles ist Selbstverteidigung. Aikido ist kein »Allheilmittel«. Mit »shizen-taido« bin ich zwar dicht an den Aikidotechniken dran, aber ich habe es ja schliesslich wegen meiner Erfahrung »shizen-taido« und nicht »aikido« genannt. Vor zirka 6 Jahren habe ich sehr viel »suburi« mit der Eisenstange geübt. Täglich, bis hin zu sechstausend Mal. Angefangen habe ich ca. mit tausend und dann gesteigert... das klingt jetzt vielleicht komisch, aber das war für mich wie eine »Erleuchtung«, zumindest so, um eine Richtung der Erfahrung und der Erkenntnis daraus zu erklären. Ich ER-spürte, dass alle Bewegungen von der Erde herkommen, durch mich durch, durch den Mittelpunkt gehen und dann nach aussen strömen. Das ist eigentlich eine ganz einfache Sache, aber das vom Kopf her verstehen und vom Körper her begreifen, ist ja ein himmelweiter Unterschied. Deshalb lese ich auch viel. Um von den Erfahrungen anderer zu erfahren, deren Umgang mit den Phänomenen zu verstehen, um dann vielleicht schneller »meine Fragezeichen« ordnen zu können. Ich habe nicht nur viele Bücher über Zen oder Misogi gelesen, sondern das auch ausgeführt und kann heute ganz klar sagen, dass das die Basis für alles ist. Auf Grund dieser Erfahrungen werde ich diesen Weg weiter gehen. Selbst auf die Gefahr hin, dass wir hier uns »schülerzahlenmässig« stark verkleinern. Ich möchte meinen Weg gehen und nicht an einer kleinen Sache hängen oder kleben bleiben, gross und natürlich werden, viel »mehr akzeptieren«. Das soll meine Basis sein! Ich gehe diesen Weg ja nun schon län- ger und hatte schliesslich das Problem: »Wie vermittle ich das?« Welche Techniken wähle ich? Natürlich kam von den Schülern sofort: »Kenji, Du hast zwar den Namen gewechselt, aber Du machst trotzdem das gleiche weiter«. Ich übe eigentlich nur, um die Achse mit dem Schwerpunkt zu finden. Aikidotechnik ist nur ein Mittel dazu, Techniken sind nur ein Mittel. O'Sensei ist und bleibt ein grosser Lehrer und Meister. Für mich aber ist das Ziel, die Achse auszurichten, in dieser Richtung werde ich weitersuchen. Deshalb kann ich quasi mit keinem Verein oder Verband arbeiten, die Probleme sind vorprogrammiert. Denn es ist für mich nicht wichtig, auf das Aikido zu schauen, ich öffne mich und die Haltung ist mir wichtig. Ich schaue auch, was machen sie z.B. in China beim Tai-Chi, mit der Ernährung oder mit der Atmung. Ich muss mich an allem und vielem orientieren, um das einfliessen lassen zu können. So ist es vom Finanziellen her zwar enger geworden, aber vom Geistigen her habe ich eine grosse Bereicherung erfahren. Auch bin ich viel entspannter und ruhiger. Ich habe mich davon befreit, ich muss keine Rücksicht mehr nehmen, weil ich das so und so positiv empfunden habe... das so und so ändern möchte – da gibt es keine Probleme, ich habe diese Freiheit. Warum gibt es Probleme mit Verbänden, wenn ich mich aufrecht bewege? Da sich einfach etwas ändert, sich etwas entwickelt, anders entwickelt, als es in einer Verbandsstruktur unterrichtet wird. Wenn ich zum Beispiel das Gefühl habe, »shihon nage« etwas ändern zu wollen, nicht weil ich daran etwas falsch finde, sondern weil ich zur Erkenntnis gekommen bin, dass man ihn ändern, evtl. sogar etwas verbessern kann, im Bewegungsablauf, dann sind die Probleme vorprogrammiert. Vorgegebene Techniken müssen, wenn es nach den Verbänden geht, »starr« nach Muster ausgeführt und übernommen werden... Wenn ich Misogi, Toho kami emi tame (»Mantra«) oder Zen in meiner persönlichen Form mit hineinbringe, dann ist das nicht so einfach. Ich will damit nicht sagen, dass ich über allem stehe oder dass ich besser bin. Nein, ich möchte meinen persönlichen Weg gehen, möchte erreichen, dass die Schüler, die zu mir kommen, sich wohl fühlen, so wie ich mich wohlfühlen möchte. Vor drei Jahren haben wir das umgestellt. Schüler die weiterhin »DAS Aikido« betreiben möchten, auch Graduierungen haben möchten, die gehen zu Lehrgängen und machen dort ihre Prüfung, folgen aber meinen Weg. Andere wiederum verfolgen hundertprozentig meinen Weg. Die Schüler können frei wählen. Das habe ich natürlich mit meinem Lehrer Meister Tada abgesprochen und besprochen. So bin ich auch heute noch freundschaftlich mit ihm verbunden. Voilà, das ist der Stand der Entwicklung bis zum heutigen Tage.

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