Man musst treffen wollen, um nicht treffen zu müssen

Was ist Atemi ?


Thomas währen unseres Gespräch …

Um es gleich vorweg zu nehmen: Du musst im Zweifel in der Lage sein, richtig zu treffen. Aber fangen wir von vorne an.
Ueshiba Morihei Ōsensei soll gesagt haben, dass Aikidō zu 90% aus Atemi besteht. Je nachdem, welche Überlieferung
man liest, kann es zwischen 70–90% sein. Also besteht Aikidō nur höchstens zu 30% aus den sogenannten Techniken, die
auch in Prüfungen gezeigt werden müssen. Wobei in der Prüfungsordnung des Hombu Dōjō nichts von Atemi steht,
übrigens auch nichts von Ki. Undwann hast Du das letzteMal explizit Atemi geübt?



Meistens wird Atemi als Fauststoß gezeigt oder auch nur angedeutet. Aber bist Du sicher, dass es funktioniert?
Normalerweise werden im Aikidō-Unterricht Fauststöße oder gar Ellenbogenstöße, Fußtritte und Kniestöße nicht geübt. Es
gibt Tsuki als Angriffsform oder Shomen uchi und Yokomen uchi. Aber übst Du das wirklich? Schlag- und Tritttechniken
sind eher die Sache von Karate, Taekwondo跆拳道, Jūjutsu柔術oder Boxen. Aber je schlechter angegriffen wird, desto
weniger übst Du gute Aikidō-Techniken. Doch ich will beim Atemi bleiben.



Atemi-Techniken zielen auf empfindliche Stellen beim menschlichen Körper, kurze Rippen, Nase, Kinnspitze,
Unterleib. Ihr Ziel besteht darin, die Balance des Uke zu brechen, jap. Kuzushi. Sie bereiten die Situation vor, so dass
eine Aikidō-Technik Erfolg versprechend eingesetzt werden kann. Wenn Du schon einmal versucht hast, bei einem
Karateka direkt Ikkyō oder Irimi nage anzuwenden, dann weißt Du, dass das meistens nicht funktioniert. Der Uke


blockt sofort oder weicht aus. Oder greift erneut an. Ohne Atemi kein Kuzushi. Ohne Kuzushi keine fließende Aikidō-
Bewegung.



Aber warum sieht man das so selten? Und warum wird es nicht explizit geübt? Es liegt vielleicht daran, dass wir als Tori
uns zu sehr auf die Ausführung der Technik, die wir üben sollen, konzentrieren. Der Eingang ist noch wichtig, aber für
Atemi und damit Kuzushi bleibt irgendwie keine Zeit. Ellis Amdur hat eine interessante Übungsform beschrieben, um
Atemi zu erlernen (siehe Literaturangabe unten). In der Rolle des Tori soll man so üben, dass in jedem Augenblick ein
Atemi möglich ist. Dazu bewegt man sich ganz langsam und hält immer wieder an, prüft den eigenen Stand, die Balance
und ob ein Atemi möglich ist. Wenn man das einigermaßen  raus hat, gilt es, die Bewegung kontinuierlich zu machen und
die Geschwindigkeit zu erhöhen. Er schreibt, es soll möglich sein, zu jedem Zeitpunkt in einer Bewegung Atemi zu geben.



Deshalb kann ein Atemi keine komplizierte oder aufwändige Technik sein. Es muss möglich sein, aus kürzester Entfernung
zu treffen, z.B. einen Fauststoß auszuführen, der beim Uke Kuzushi bewirkt. Für eine solche Technik bewundere ich Hino
Akira (und nicht nur dafür!). Er braucht nur 30cm und bringt Dich zum Taumeln. Diese Art zu treffen ist eigentlich ganz
einfach. Du schlägst mit einer halboffenen Faust zu und erst im Augenblick des Kontaktes ballst Du sie ganz. Das alleine
wirkt noch nicht so gut. Du musst im selben Augenblick die Faust zurückziehen und wieder halb öffnen. Tatsächlich muss
das Zurückziehen schneller sein als der Schlag selber, zumindest gefühlt. Damit dringt Deine Schlagkraft
unvermindert in den Körper vom Uke.



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