Kata - Trining

Vor- und Nachteile

Thomas in seinem Dojo in Bonn
Thomas in seinem Dojo in Bonn

Während des Lockdowns in der gegenwärtigen Pandemie biete ich Online Aikidō -Unterricht an. Für Kinder und Erwachsene. Eine immer wieder interessante Erfahrung für mich, wer daran teilnimmt und was mir einfällt, um mein Aikidō-Wissen rüberzubringen. Sowohl bei den Kindern als auch den Erwachsenen sind es eher die Mädchen und Frauen, die sich darauf einlassen, vor dem Bildschirm Aikidō zu üben. Und bei den Erwachsenen sind es eher die Anfängerinnen, die regelmäßig teilnehmen. Etliche meiner höher graduierten Schülerinnen haben mir auf Nachfrage gesagt, dass dieses Online-basierte Training nichts für sie sei. Mich hat auch Lia Suzuki aus Los Angeles eingeladen, einmal im Monat eine Stunde in ihrem internationalen Virtual Dōjō zu geben. Von denjenigen, die teilnehmen, bekomme ich ein sehr positives Feedback.
Hier ist eines von Dirk B. aus Bonn:
»Hallo liebe Aikidō-Fans, ich bin seit etwa einem Jahr dabei und würde gerne meine Erfahrungen in Bezug auf das aktuelle Aikidō-Online-Training beim Thomas mit Euch teilen:
Mir sind zwei große Vorteile aufgefallen gegenüber dem Präsenz-Training: Ich konnte die Bewegungen in meinem Tempo durchführen, da ich mich nicht nach einem Partner richten musste. Dadurch wurde meine Bewegungsform wesentlich flüssiger und ich fühle mich selbstbewusster, da ich keinem Partner etwas erfüllen musste. Der andere Vorteil: Man hat quasi doppelt so viel Zeit, da man ja nicht mehr die Hälfte der Zeit dem Partner als Angreifer dienlich sein braucht.
Mich hat das Online-Training daher viel weiter gebracht, auch besonders da es mich an Tai-Chi erinnert hat, was quasi die gleichen wunderschönen Bewegungsformen mit sich bringt. Dieses Online-Training kann natürlich nicht vollständig ein Präsenz-Training ersetzen, da sind wir uns sicher alle einig, aber einen kleinen Tipp dazu kann ich geben: Frag Eure Mitbewohner ob sie bereit sind den Part des Uke zu übernehmen während der Online-Seminare.«

Und das Folgende hatte ich an meine Schülerinnen geschrieben:
„Im Aikidō sind wir es so gewohnt, mit einem Anderen im direkten Körperkontakt zu üben. Deshalb erscheint alleine die Vorstellung, ohne diesen Anderen zu üben als etwas ganz Unglaubliches. Aber in allen Kampfkünsten und eigentlich in allen Sportarten, die ich kenne, gibt es so etwas wie »Schattenboxen«. Du übst alleine und ohne die übliche Umgebung, die Du sonst hast, sei es ein Fußballfeld, eine Tartanbahn oder ein Dōjō. Im Karate ist die Ausführung einer Kata ohne Partner ein Prüfungsbestandteil und in Wettkämpfen eine eigene Disziplin. Auch verletzte Sportler hören nicht einfach mit dem Training auf. Der Abbau der Muskulatur beginnt in dem Augenblick, wo Du sie nicht mehr so benutzt wie sonst. Das gilt auch für uns Aikidōka. Natürlich ist es nicht dasselbe wie im Dōjō, wenn Du zuhause alleine übst. Aber Du übst! Und ich verspreche Dir, Du lernst dabei auch Neues. Probiere es aus.“

Peter Schenke, ein ehemaliger Schüler, der seit ein paar Jahren bei Léo Tamaki trainiert, verwies mich auf einen Artikel von Germain Chamot zum Thema Kata im Aikido. Hier die deutsche Übersetzung https://www.kishinkai-aikido.de/kata-hilfreiches-werkzeug-und-begrenzung/ und hier das französische Original: „Le Kata: outil facilitateur et cadre limitant“ http://www.germainchamot.com/2017/02/le-kata-outil-facilitateur-et-cadre.html.
Abschließend der Verweis auf den Blog von Ellis Amdur, in dem er ebenfalls einen allgemeinen Artikel über Kata veröffentlicht hat „Pattern Drills: A Prerequisite Training Methodology Towards Combative Effectiveness“ https://kogenbudo.org/pattern-drills-a-requisite-training-methodology-towards-combative-effectiveness/ Bevor Du aber jetzt aufhörst, meinen Artikel weiter zu lesen, spare Dir die angegebene Lektüre für später auf.

Im Aikidō praktizieren wir in erster Linie Kata-Training. Angriffsform und Technik werden vorgegeben. Wir suchen uns einen Partner aus. Einer ist in der Rolle des Uke und der Andere in der des Tori. Wir üben einmal rechts, einmal links, einmal rechts, einmal links. Dann wechseln wir die Rollen. Damit erreichen wir im Idealfall, dass wir die so gelernten Aikidō-Techniken ohne Nachzudenken im Dunkeln in einer fremden Stadt auf unebenem Grund gegen einen überraschenden Angriff eines Fremden situationsgerecht auswählen und anwenden können. OK, Du sagst, Aikidō ist kein Straßenkampf und Du legst keinen Wert darauf, ob das in einer realen Situation funktioniert.
Für mich ist aber Aikidō eine Kampf-Kunst. Entstanden als ein sogenanntes Palast-Kampfsystem. Du sitzt friedlich zu Hause im Seiza, isst und trinkst Deinen Sake und dann kommen auf einmal mehrere bewaffnete Samurai durch die Papierwand und wollen Dich und alle anderen Anwesenden töten. Du hast keine Zeit nachzudenken. Es verbeugt sich keiner vor Dir, bevor er angreift. Möglicherweise hast Du ein paar Sake zu viel getrunken für diese Situation. Das Aikidō, was Du für eine solche Situation benötigst, ist explosiv, kurz und knackig, ohne nachdenken, ohne abwarten. Und möglicherweise tödlich – für den Anderen. Wie trainierst Du für solche Situationen?
Ich teile die Meinung von Ellis Amdur, der schreibt „Only fighting is fighting“ (Nur Kampf ist Kampf). Alle Trainingsmethoden, sei es Kata, Sparring, Wettkampf mit Regeln, können Dich vorbereiten, aber bis zu dem Augenblick, in dem Du in einen Kampf gerätst, weißt Du nicht, ob Du wirklich kämpfen kannst. Im antiken Sparta stand man den Olympischen Spielen sehr skeptisch gegenüber: »Was Du brauchst, um den Lorbeer in Olympia zu gewinnen, benötigst Du nicht auf dem Schlachtfeld«. Und auch die alten Römer standen Wettkämpfen mit Regeln als Ausbildung für Soldaten sehr skeptisch gegenüber. Auch wenn sie es liebten sich Gladiatorenkämpfe anzuschauen. Im Folgenden bringe ich ein paar Argumente, warum Kata üben ein Training für einen Kampf sein kann. Dazu hole ich ein wenig aus.

Für jede unserer Bewegungen, die wir häufiger oder sogar regelmäßig ausführen, wird ein kleiner Neurocontroller im sensomotorischen Cortex »aufgebaut« und »verdrahtet«. Am Anfang werden da zu viele Neurone requiriert und die sind mit zu vielen Verbindungen, Synapsen miteinander verbunden. Deshalb wirken Bewegungen von Anfängern unbeholfen, eckig, stockend, etc. Durch richtige Übung werden die notwendigen Neurone und deren Verbindungen zwischen ihnen drastisch verringert. Dadurch wird die Bewegung immer flüssiger, schneller, reflexartiger. Bei Bewegungsmeisterinnen reicht dann möglicherweise schon ein einziges Neuron, um eine von außen sehr komplex aussehende Bewegung zu steuern. Bevor ich auf das »richtige Üben« eingehe, müssen wir uns klarmachen, dass wir nie nur eine Bewegung lernen.   


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