Mäuschen


Markus Lieblingsfoto …

Um in Bewegung zu kommen und ein Gespür dafür zu entwickeln, sollen wir den Kote-gaeshi so ausführen, dass unsere Uke darin eine Lücke für Kaeshi-waza finden. Die Rollen wechseln und in der folgenden Ausführung gilt die gleiche Ansage, so dass wir in in nahezu unendlicher Folge umeinander wuseln.

Eine Mittrainierende erzählt mir später, dass sie die Schmerzen im Handgelenk aus dieser Übung noch deutlich spürte. Ihr Übungspartner hatte sich nämlich plötzlich überlegt, ihr mal zu zeigen, dass er sie doch werfen kann, und hatte aus der lockeren Bewegungsfolge unvermittelt hart durchgezogen. Sie hatte den Fehler zunächst in ihrem Ukemi gesucht. Aber sie hatte hier nichts falsch gemacht. Die Aufgabe war eindeutig formuliert gewesen: Nicht werfen, sondern eine Öffnung geben, damit die andere Person für sich entdecken kann, wie das Übernehmen der Führung funktioniert. Ihr höhergraduierter Übungspartner hatte ausgenutzt, dass sie sich daran gehalten hatte. Er wollte ihr halt mal zeigen, was da passieren kann, wenn sie nicht aufpasst, meinte er zu ihrer Beschwerde. 

Auf der Rückfahrt sprechen wir im Auto darüber. Auch die anderen weiblichen Aikidōka berichten ähnliche Erfahrungen mit besagter Person. Immer wieder versuchte er, sich als erfahrener zu profilieren, statt seine Partnerinnen mal in Ruhe üben zu lassen. Gern setzte er auch Kraft und Masse ein, um die erfolgreiche Ausführung der Technik zu verhindern und sich in die Rolle von »ich zeig Dir mal, wie es geht« zu bringen. Damit ist er nicht allein.

Unsere jungen Damen berichteten weiter, dass sie es sehr häufig auf Lehrgängen erleben, dass ihre Partner sie nicht ausprobieren und üben lassen, sondern bald den Oberlehrer geben und sie volltexten. Auch 3. Kyu (nur ein Beispiel) lassen nicht davon ab, Dan-Graduierte zu belehren, wenn diese deutlich jünger und/oder weiblich sind. Mitunter wird nur noch gesabbelt und verschnauft. Manche bewegen sich gar nicht mehr oder kaum noch selbst auf der Matte – dabei sein ist alles. Sie geben ungefragt vom Rand ihren mehr oder weniger qualifizierten Senf dazu, fühlen sich noch helfend in ihrer selbstverliehenen Rolle als Co-Trainer, merken nicht, wie sehr sie stören. Nicht immer haben die eigentlichen Lehrerinnen und Lehrer das im Blick.

Das muss nicht so sein. Denn auch wenn es eventuell schon körperliche Einschränkungen gibt (nicht zwingend altersbedingt), behindert das ja nicht das Lernen-wollen und die Begeisterung. Aber einigen merkt man an, dass sie sonst nur unterrichten und sich selbst kaum noch bewegen. Sie kommen weder aus der Lehrer-Rolle raus noch in die Bewegung rein. Gern zeigen sie dann auch, dass sie es ja bei sich im Dojo eigentlich ohnehin anders machen, als grad vorgegeben. Bei einigen Konstellationen mag das ein interessanter gegenseitiger Austausch sein, oft ist es aber Profilierungsgehabe.

Tatsächlich ist es nicht ganz einfach, wenn man viel unterrichtet, aus der Rolle herauszukommen und einfach nur Übungspartner zu sein. Daran arbeite ich auch. Es gibt dann manches Mal den gegenteiligen Effekt, dass man auf Unverständnis trifft, wenn man gefragt wird, ob man etwas nochmal zeigen könne, und darauf verweist, dass ja jetzt jemand anders unterrichtet. Aber ohne Einverständnis sollte man die eigene vermeintliche Weisheit nicht aufdrängen. Nicht vollsabbeln, nicht klugscheißen. Üben lassen. Am besten gar nicht reden dabei.

Nicht immer ist das Profilieren verbal. Gern zeigen einige ihre Überlegenheit auch, indem sie ihre Hebel besonders kraftvoll und rücksichtslos durchziehen oder als Uke die Bewegung sabotieren. Dominanzgehabe ist aber gerade keine Kompetenz. 

Das mit dem Uke ist so eine Sache. Wir trainieren oft in Szenarien festgelegter Abläufe. Wenn ich als Uke dann beim Eingang in eine Bewegung entkopple, so dass Nage/Tori nur noch meinen losen Arm führen kann, oder mich versteife, um die Technikausführung zu verhindern, dann erfordert das keine sonderliche Kompetenz auf meiner Seite. Ich kenne das Szenario ja und weiß, an welcher Stelle ich es aufbrechen kann. Wenn meine Partnerin an der Stelle konzentriert üben will und entsprechend im Szenario verbleibt, dann ist sie zu Recht frustriert von mir, denn ich mache nichts anderes, als die Lernsituation zu sabotieren. Solche Uke verlassen eigenmächtig das Szenario, verändern die Situation, und machen sich dann vielleicht sogar lustig darüber, dass die andere Person an ihnen verzweifelt.

Nicht falsch verstehen – Uke soll nicht zur überfluffigen Weichhupe


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