»Erfolg«


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Die Ausschreibung für den Lehrgang, die da in meinen Posteingang rieselt, habe ich in den letzten Wochen schon häufiger gesehen. Sie kam mehrfach per Mail, sie stand im Web, sie wurde in den sozialen Netzen und sonstwo verteilt. Da der Termin, zu dem man sich anmelden sollte, sehr nah bevor steht, scheint es nicht so, als ob sich schon viele Leute angemeldet hätten. Wenn die Kapazitäten schon ausgelastet wären, würde man den Lehrgang nicht mehr wie Sauerbier feilbieten.



Die Schultern zucken. Nein, ich möchte immer noch nicht daran teilnehmen, und ich kann diesen Lehrgang auch guten Gewissens niemandem empfehlen. Ich kenne den Lehrer. Ich verstehe nicht, warum Leute dahin fahren sollten. Die Schülerinnen und Schüler von mir, die ihn sich mal angeschaut hatten, braucht auch niemand mehr zu fragen, ob sie nochmal zu ihm wollen. Und wenn der Anschein nicht trügt, dann kennen ihn auch andere schon und haben ähnliche Eindrücke mitgenommen wie wir. Die Fälle, in denen mir jemand begeistert von seinem Aikido und seinem Unterricht erzählt hat, sind rar. Und diese Berichte kamen nicht unbedingt von Personen, die mich positiv beeindruckt hatten.



Manchmal kommen Leute durch Beharrlichkeit die Graduierungsleiter hoch. So hoch, dass es unangemessen erscheint, sie nicht auch mal für einen Lehrgang einzuladen. Lernen kann man doch von jedem was. Stimmt. Aber will man das auch? Reicht das, um Kosten und Mühen auf sich zu nehmen? Bei manchen hochrangigen Aikidoka wundert man sich mitunter ja doch, was die da eigentlich machen. Zum Teil liegt das daran, dass man eben andere geschmackliche Vorlieben hat oder andere Schwerpunkte legt. Solange es nur das ist, kann man meist immer noch erkennen und anerkennen, dass da was Hand und Fuß hat und auf einem gewissen Niveau stattfindet.



Selbst- und Fremdwahrnehmung von Lehrenden gehen allerdings schon auch mal auseinander. Was ich als Aikido-Lehrer selbst für geniale Bewegungskonzepte halte und stolz als Offenbarung präsentiere, lässt andere vielleicht gerade mal irritiert die linke Augenbraue hochziehen. Je mehr Sendungsbewusstsein ich dann noch in die eigenen kruden Ideen reinlege, desto größer ist die Chance, dass ich den Menschen auf der Matte damit auf die Nerven gehe - insbesondere, wenn ich eine doch eher abseitige Einzelmeinung bei der Technikausführung propagiere.



Im Resultat darf ich mich dann nicht wundern, wenn immer weniger Leute meine Lehrgänge besuchen. Das ist gelebte Demokratie – die Leute stimmen mit den Füßen ab. Und wenn ich nicht zufällig in der Position sein sollte, dass mein Lehrgang als Pflichtlehrgang für eine Prüfungszulassung oder Ähnliches eingestuft ist, stehe ich womöglich irgendwann allein auf weiter Flur. Viele Erfolgsindikatoren hat Aikido nun nicht. Einige suchen ihre persönliche Anerkennung dann im Unterrichten.
Manche Lehrende im Aikido sehen ihren Erfolg darin, wie viele Mitglieder ihre Gruppe hat, wie viele Personen ihren Unterricht besuchen. Doch das ist nicht immer genug. Irgendwann wird die Anerkennung auch von außen gewünscht. Und wenn man von anderen nicht als Lehrer eingeladen wird, stampft man eben eigene Lehrgänge aus dem Boden. Irgendwann muss man ja als das Genie erkannt werden, das man ist. Je nach Organisationsform der eigenen Aikido-Linie kann man vielleicht auch darauf pochen, dass es einem ja kraft Grades zustehen würde, bei bestimmten Lehrgängen nun auch mal als Lehrkraft eingesetzt zu werden. Was natürlich Quatsch ist, denn eine Formalqualifikation, auch eine didaktische, sagt ja nichts über die eigenen Qualitäten aus, schon gar nicht, ob man ein guter Lehrer oder eine gute Lehrerin ist.



Auch wenn es manchmal etwas verpönt ist, es auszusprechen: So selten ist es nicht, dass manche die Pflichtlehrgänge nur besuchen, weil sie den Nachweis benötigen. Nicht alle kommen, weil sie die Lehrkraft schätzen. Einigen merkt man es an – für eine Lehrkraft kaum motivierend. Einen Anspruch darauf, von den Aikido-Lernenden, die die Lehrgänge besuchen, auch anerkannt zu werden, hat man halt nicht. Schon im eigenen Dojo gibt es so etwas nicht. Dort ist es unkompliziert: Wer mit Unterrichtsstil, Inhalten, Ausrichtung oder der Person der Lehrkraft nicht einverstanden ist, kommt halt einfach nicht wieder. Zum Glück ist Aikido etwas, was man freiwillig und aus eigener Entscheidung macht. Wenn man sich überwinden muss, sich nicht mehr freut, wenn man zum Unterricht geht, dann sollte man sich vielleicht lieber etwas anderes suchen.



So wie man als Lehrkraft keinen Anspruch darauf hat, dass Leute zu einem kommen und das eigene Angebot annehmen, so gibt es umgekehrt auch keinen Anspruch darauf, als Schüler oder Schülerin angenommen und gefördert zu werden. Das Verhältnis zwischen lehrender und lernender Person ist eine Beziehung auf Gegenseitigkeit. Beide müssen sich darauf einlassen. Eine Aikido-Lehrerin ist schließlich keine Dienstleisterin. Sie ist eine Person, der ich offen entgegengehen muss, wenn ich möchte, dass sie sich auch mir öffnet. Nehme ich sie nicht an, lasse ich mich nicht auf ihre Lehre ein, dann wird auch sie sich eher anderen zuwenden. Im Aikido finden wir ein breites Spektrum an Menschen und Ausrichtungen, von beinharten Haudegen bis weltfremden Träumern. Natürlich passen da nicht alle zueinander.



Da die Budo in einer Zeit entstanden sind, in der sie nicht nur Freizeitbeschäftigung waren, sondern über das Überleben entscheiden konnten, achteten die Lehrer darauf, nur erwiesen loyalen Schülern tiefergehende Unterweisung zu geben. Die Gefahr, dass jemand die Techniken und Strategien einer Schule lernen wollte, um auf den Schlachtfeldern taktische Vorteile zu haben, war durchaus real. Deshalb


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