Horst Schwickerath

… unsere Verhaltensweisen

Kaum einen Single hält es an einem Samstagabend zu Hause – dann, wenn Millionen einsamer Gleichgesinnter in Diskotheken und Kneipen auf die Jagd nach einem Partner gehen. Man flirtet um die Wette, und spätestens, wenn in der Disko die Lichter wieder angehen, stehen Sieger und Verlierer des Abends fest – letztere gequält von der frustrierenden Frage nach dem »Warum« Ein Schritt vor den Spiegel ist für sie vielleicht auch gleichzeitig der erste Schritt zur Erkenntnis: Denn die Brille ist schuld!

Für Engländer ist das allerdings nichts Neues, haben sie doch ein Sprichwort, das die Situation ganz gut beschreibt: 'Men seldom make passes at girls who wear glasses' heißt etwa soviel wie 'Männer flirten nicht so gern mit Brillenträgerinnen'. Aber stimmt das überhaupt?

Dass hier ganz eindeutig wissenschaftlicher Klärungsbedarf besteht, ist der Psychologin June Mac Nicholas der University of Warwick aufgefallen. Sie wollte den Wahrheitsgehalt des Sprichwortes überprüfen und entwarf einen Feldversuch: Sie schickte dazu eine Busladung kurzsichtiger Partygänger im Alter von 18 bis 25 in einen angesehenen Londoner Club – mit der strengen Auflage, dort zu flirten. Ein Team der Wissenschaftler sollte den Versuchskaninchen dabei unbemerkt auf Schritt und Tritt folgen und jede Bewegung genauestens beobachteten.

Man kann sich gut vorstellen, dass Madame Mac Nicholas bei dieser Studie wohl keine Probleme hatte, genügend Probanden zu finden, um daraus drei Gruppen bilden zu können. Ein Drittel der Teilnehmer konnte frei wählen, ob sie während des Feldversuches lieber Kontaktlinsen oder eine Brille tragen wollten. Die Angehörigen der zweiten Gruppe tauschten ihre Kontaktlinsen gegen eine Brille ein und die der dritten Gruppe wechselten von der Brille zu den Linsen.

Alle Probanden mussten zudem noch einen detaillierten Fragebogen ausfüllen, auf dem sie ihre äußere Erscheinung selbst einschätzten und ihr Selbstwertgefühl beurteilten – einmal vor, während und nach dem Diskobesuch. Schon dabei zeigte sich, dass das Wechseln der Sehhilfe offenbar einen großen Einfluss auf die Psyche ausübt: 85 Prozent derjenigen, die zu Kontaktlinsen gewechselt hatten, freuten sich über ein gestiegenes Selbstwertgefühl. Aus der Gruppe der Brillenträger berichtete das jedoch kein einziger. Im Gegenteil: Drei Viertel dieser Probanden fühlten sich sogar schlechter als vorher.

Mit dem Selbstwertgefühl stieg dann wohl auch das Selbstvertrauen, denn die Hälfte der Kontaktlinsenträger war überzeugt davon, ohne Brille besser beim anderen Geschlecht anzukommen. Kein einziger fühlte sich weniger attraktiv – im krassen Gegensatz zu den unfreiwilligen Brillenträgern, bei denen 80 Prozent ihre Flirtchancen als gesunken ansahen.

Doch knallharte wissenschaftliche Fakten brachte erst der Feldversuch auf den Tisch. Dort konnten die ungeduldigen Probanden ihr Vorhaben endlich in die Tat umsetzen und begannen, das andere Geschlecht zu umschwärmen – selbstlos und rein im Dienst der Wissenschaft versteht sich.

Die brillenlosen Jäger und Jägerinnen gingen hier als deutliche Favoriten ins Rennen – und auch als klare Sieger wieder ins Ziel. McNicholas und ihre Undercover-Beobachter notierten in dieser Gruppe gleich dreimal mehr Umarmungen und sogar viermal mehr Küsse. Gar sechsmal mehr Striche als bei den Brillenträgern mussten die versuchsbedingten Voyeure in der Kategorie Streicheleinheiten' machen.

Eine eindeutige Begründung für das vernichtende Urteil über den Flirtfaktor Brille hat die Wissenschaftlerin allerdings nicht parat – auch ob sie noch weitere Sprichwörter auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen will, ist nicht sicher. Einige davon würden uns aber brennend interessieren, oder?

Oder, anders ausgedrückt, wird der »Partner« auf der Tatami durch »die Brille« angeschaut – würden hier knallharte wissenschaftliche Fakten helfen, »das bebrillte Bild« schneller zu verarbeiten, zu revidieren? Aber zum Glück gibt es ja im Aikido solche Problem nicht.

Aber erst einmal Ihnen allen einen guten Start in die Herbstphase 2006, auf dass sich die Dojos mit neuen Aikidointeressierten füllen.

 

 

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