Horst Schwickerath

Kampf der Kulturen

Hass und Zerstörung als Identifikationsmuster, na wunderbar, endlich gibt es durch den »Karikaturenstreit« eine nachträgliche Rechtfertigung für im Namen des Islam begangene Selbstmordattentate, endlich gibt es ein Ziel für die Entladung all der aufgestauten Aggressionen.

Nichts verbindet mehr als der Hass zur Verteidigung höchster Ideale (so auch nachzulesen in dem Beitrag von André Cognard in dieser Ausgabe) - Religionen verbinden nicht mehr, Fussball aber schon …

In der heutigen Welt gibt es keine grundsätzlich verschiedenen Kulturen mehr, allenfalls verschiedene Entwicklungsstände. Alle Menschen streben nach Demokratie und Freiheit, und wie schon so oft, versuchen Despoten mit allen Mitteln, und sei es durch eine falsche Auslegung der Religion (was sich im Übrigens schon seit Jahrtausenden als vorzügliches Mittel gerade in der Manipulation entrechteter und somit ungebildete Massen bewährt hat), dies zu verhindern.

Man furchtet sich gewöhnlich nur vor dem Unbekannten. Wir wissen einfach zu wenig über diese »fremde Religion«, die Kultur, die Politik.

Die einzige Möglichkeit, die Angst zu überwinden, besteht darin, das Unbekannte bekannt zu machen, am besten mit Hilfe der Medien durch objektive Berichterstattung. Die Reaktionen der meisten Muslime, die sich gegen die von den Politikern beherrschten Fanatiker aussprechen, müssten ebenso beachtet werden. Denn religiöser Essenzialismus ist dazu angelegt, wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, in einen globalen Kulturkampf zu münden.

Mit unseren peinlichen Kotaus [Am kaiserlichen Hof in China hatte man beim Begrüßungszeremoniell als Zeichen der Unterwerfung und Demut mit dem Kopf den Boden zu berühren. Der chinesische Ausdruck dafür ist kou tou (=mit dem Kopf [auf den Boden] schlagen).Anm. d. Red.] vor der so genannten anderen Kultur hat man all dem Vorschub geleistet. Und zugleich ist man damit verantwortungslos gegenüber denen, die unter diesen Gottesfurchtverbreitern leiden müssen – das bezieht sich auf die zum großen Teil entrechteten, als Eigentum der Familie betrachteten Frauen, auf Intellektuelle (Verbot der Meinungsfreiheit-Pressefreiheit) und die Mehrheit der Muslime.

Im »Kampf der Kulturen« geht es nicht um westliche Werte versus östlichen Glauben. Im modernen Kreuzzug des 21. Jahrhunderts geht es nicht mal um Politik. Es geht um wirtschaftliche Macht und langfristige Ressourcensicherung. Statt sich gegenseitig Zeichnungen und verbrannte Fahnen zu verübeln, sollte das Wesentliche nicht aus den Augen gelassen werden. Kein Land dieser Erde verfugt über die Autonomie, die ihm einen Alleingang ermöglichen könnte. Goethe sagte es schon: »Wer sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen, Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.« Ein kluger Mann.

Auch dürfen nicht aus dem Auge verlieren, das der westliche Wohlstand, der auf steigendem Wirtschaftswachstum in Verbindung mit zunehmendem Rohstoff- und Energieverbrauch beruht, kann nicht zum Lebensstandard von zehn Milliarden Menschen werden. Wird jedoch davon ausgegangen, dass jedem Erdbewohner in etwa die gleichen Verbrauchsmengen zustehen, und wird dabei der Begrenztheit der Umweltgüter ernsthaft Rechnung getragen, so müssen Produktions- wie Konsumstrukturen in den »wohlhabenden« Ländern radikal geändert werden. Eine dauerhaft umweltgerechte Entwicklung, die im Grunde alle wollen und zu der es keine Alternative gibt, ist ohne Restriktionen, also ohne ein spezifisch asketisches Element humaner Daseinsgestaltung, nicht zu realisieren.

Also, legen wir Zeichenstift und Feuerzeug zur Seite und setzen uns zum Gespräch.

Wenn man dem Islam Entwicklungspotenzial abspricht, dann reproduziert man einen ideologisches und fundamentalistisches Religionsverständnis, das sich weniger an historischer Wahrheit orientiert als an europäischen politischen Bedürfnissen.

»Wir sind voller Angst – allerdings vor den falschen Problemen« (Hoimar von Ditfurth).

 

 

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