Horst Schwickerath

Zu dieser Dezemberausgabe möchte ich Ihnen Einleitend etwas erläutern.

Die Bildfolge »Die Gajin kommen« aus Ausgabe 52D war als grober bildhafter Einstieg in diese neue Japan-Serie gedacht. In dieser Ausgabe stelle ich Ihnen die zeitlichen Abläufe von 710 bis 1603 vor. In den folgenden beiden Ausgaben folgt der geschichtliche Verlauf Japans von 1603 bis 1868 und 1868 bis 1912. Dieses erscheint mir wichtig, damit der dann folgende Budo- und Aikidospezifische Kalender in seinen Zusammenhängen und seiner Historie besser verständlich wird.

Denn immer noch ist und bleibt Japan, zumindest für mich, ein verdecktes Blatt, was leider oft nur »über Eck« verständlich wird; sprich wie jedes Land hat auch Japan seine – aus heutiger Sicht – kompliziereten Charakteren, die man nicht offen diskutiert haben möchte.

Die interessante vorzeitliche Geschichte werde ich Ihnen in einem separaten Artikel vorstellen.

Jeder Aikidoka kennt die Bezeichnung: »die Tänzer mit dem schwarzen Rock«, die andere Budoka so sehr zum Lachen bringt, dass sie sich den Bauch haltend auf dem Boden liegen: Aber selbst unter Aikidoka hört man diese »vernichtende Aussage«. Es soll damit ausgesagt werden, »dass es da welche gibt, die sich Aikidoka nennen, tatsächlich aber tanzen« – Tanz als leichte Bewegung schwingend, aber ohne Kraft…

Wenn gar über Energiearbeit gesprochen wird, liegen reihenweise sogar Aikidokas flach und halten sich den Bauch. Ich erinnere mich an ein großes Aikido-Spektakel in Paris, das um Steven Segal veranstaltet wurde; es ist einige Jahre her. Dieser sagte am Tage nach den Demonstrationen, »so ein Aikido würde ich nicht praktizieren«, lobte dann aber Christian Tissier und noch jemanden, dessen Namen ich heute leider vergessen habe. Mit »so ein Aikido würde er nicht…«, meinte der Herr Protagonist, den Hikitsuchi Schüler und 7. Dan aus Paris, Gérard Blaize, der neben anderen sein Aikido auch vorgestellt hatte.

Andererseits schauen alle Aikidoka mit großer Begeisterung gerne die Filme von O Sensei und sind sich einig in ihrem Urteil: »Das ist das Wahre!«

Wenn man in diesen Filmen O Sensei durch die Reihen seiner Angreifer wandeln sieht, und diese dann reihenweise in alle Richtungen umfallen, oft ohne ihn überhaupt berührt zu haben, ohne körperlichen Kontakt und ohne Ausführung einer Technik, dann verwundert es doch, dass die Bemühungen jener belächelt werden, die diese Energiearbeit überhaupt »in Angriff« genommen haben.

Ich frage mich, wieviele Aikidoka überhaupt etwas von fajin wissen?! Es scheinen wenige zu sein.

Was nicht unbedingt deren Schuld ist, denn welcher Shihan oder Lehrer kann es ihnen zeigen? Hat O Sensei es seinen Schülern erklärt? Vielleicht erklärte er es; ob sie es aber verstanden haben, frage ich mich, denn wie viele Jahre benötigt man, um damit arbeiten zu können?

Interessanterweise gibt es keinen Konsens darüber, was O-Sensei, der Gründer des Aikido, tatsächlich tat, wenn er dieses Aikido in der Öffentlichkeit vorführte. Zwischen den vielen Aikido-Stilen und auch in der größeren Gruppe der individuellen Aikido-Lehrer, von denen viele direkte Schüler des Gründers waren, gibt es keine gemeinsame Linie, wenn es darum geht, den Fortschritt der Kunst des Aikido, von den einfachen Grundlagen, die sich bei allen wenig unterscheiden, zu einem »höheren Level« zu beschreiben.

Ich nehme an, dass es auch gar nicht beschreibbar ist, denn wir dürfen nie vergessen, dass Aikido auch für O Sensei ein Prozess war, der bis zu seinem Tode angedauert hat. Dieser Prozess bestand aus vielen Stufen und vielen Jahren des Übens. Insofern ist es nach meiner Meinung nicht richtig, sich Perioden aus dieser Entwicklung »heraus zu schneiden«, um sie dann als »das traditionelle Aikido« darzustellen. In diesem Fall wird zumindest die Entwicklung der letzten Lebens-Jahrzehnte vergessen, in denen O Sensei ein Aikido zeigte, das die damals Jungen als »schrecklich« bezeichnen, denn sie wollten trainieren und verstanden nicht, was der Alte Herr da, mit dem Schwert in der Hand vortrug… – und dabei wird vergessen, das gerade in den späteren Jahren Aikido das würde, das es die Atribute »kein Sport, keine Selbstverteidigung« erwarb.

Ich kann nur für mich sprechen und an das folgende buddhistische Gleichnis erinnern: … in dem mehrere Blinde einen Elefanten betasten mussten, um zu erklären, was sie da vor sich hatten. Jeder von ihnen betastete aber einen anderen Teil des Elefanten. So »ertasteten« sie »eine Schlange«, »eine Wand«, »einen Baumstamm«…

Jeder erfasste also nur einen Teil des Ganzen.

So scheint es auch mit den Aikido zu sein: Jeder tastet sich an das Ganze heran, jeder erfährt nur einen Teil des Ganzen…

In diesem Sinne wünschen wir, vom Aikidojournal, unseren Lesern für die bevorstehenden, sogenannten besinnlichen Tage des Jahres alles Gute und einen besonders guten Eintritt in das Jahr 2008!

Genießen Sie den beiliegende Teebeutel, sein Inhalt besteht aus grünem China-Tee, sein Name ist Gyokuro. Japanischer Gyokuro wartetauf Seite 33.

Ihr Aikidojournal-Team

 

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