Sie nehmen kein Ende, die Reaktionen auf das Interview mit Reiner Braunhardt. Anscheinend wühlt die Geschichte mehr Staub auf, als dass jeder für sich zugeben möchte. Nun, ich möchte nochmals Raum und Forum geben, für eine letzte Meinung. Danach bitte ich die Leser, sich über das Internet www.aikidojournal.de unter »[javascript protected email address]« untereinander zu unterhalten. Übrigens, die Namen im nachfolgenden Brief sind geändert.
»Hallo Reiner, ich habe Dein Interview mit Horst Schwickerath in der Ausgabe Nr. 26 gelesen und kann Deine Angaben nur bestätigen.
Denn wir haben gleiche Erfahrungen mit einem Japaner – „Miku Kamikatze" gemacht, den ich seit 1967 kenne. Meine Frau lernte ihn zwei Jahre später kennen. 1965 hatte ihn mein Freund Wilhelm Hut hergeholt, ist genauso auf ihn reingefallen und wurde entsprechend enttäuscht.
Wir könnten Bücher schreiben über diesen Mann und seinen Schatten Walter Franz aus einem der bekannteren Verbände, der Name ist unwichtig. Wir haben uns dann aber von ihm getrennt und den Fall bis „zur Gummizeit" abgehakt.
1989 sind wir im X-Verband eingetreten und haben seither unsere Ruhe. Ich werde auch eine Kopie an Horst Schwickerath schicken und Deine Glaubwürdigkeit bestätigen.
Mit freundlichen Grüssen
Stefan Raab
PS: Ich habe gerade Nr. 27 vom Aikidojournal bekommen und bin erstaunt, dass doch viele Anteil am Interview genommen haben. Aber dass es immer noch Menschen gibt, die Arroganz für richtig halten, erstaunt mich doch. Reiner bleibe sauber.«
Woran liegt es, dass der Mensch so lange braucht, um zu erkennen, dass etwas in seiner »frei gewählten Umgebung« nicht zu stimmen scheint? Weshalb ist er jahrelang bereit, Dinge hinzunehmen, die ihn unter andernfalls, andernorts schon lange »auf die Palme« gebracht hätten?
In der letzten Ausgabe ging ich schon darauf ein, vielleicht aber »war der Blumenstrauss zu gross...«?
Ich versuche mich nochmals zu erklären. Und zwar stelle ich folgende Frage in den Raum – was ist AIKIDO? Ich weiss, Sie werden nun meinen, ich müsse »spinnen«, doch ernsthaft, was ist Aikido? Meister Ueshiba scheint Ai beispielsweise vor dem zweiten Weltkrieg anders als nach dem Krieg gedeutet zu haben. Aus seiner Trainingsgeschichte ist zu erkennen, dass er noch vor dem Krieg eine nach seinem Stil abgeänderte Ju-jtsu-Form vorzog, die eher kämpferisch war und sie dann, in den Jahren nach dem Krieg, nach seinen Erlebnissen in der Mongolei in eine sanftere Form der Liebe wandelte, dies nach wie vor unter dem gleichem Begriff Ai. Dass dem so ist, kann man im Artikel »Omoto-kyo« nachlesen.
Ki steht für Energie, für geistige Kraft, für Ausstrahlung, für Persönlichkeit, für... . Auch dieser Begriff steht nicht für eine einzige Bedeutung. Man kann jetzt da weitermachen und den Begriff Do auseinanderpflücken und versuchen, ihn zu erklären. Doch auch diese Arbeit lässt uns nicht tiefer erkennen, was denn Aikido nun eigentlich ist. Und genau so vielgestalt der Begriff Aikido zu erklären, zu interpretieren ist, so vielgestalt wird auch Aikido verstanden, in Japan selber, von den Japanern, bei uns in Europa und in Übersee, in Amerika, kurz, in jedem Winkel dieser Erde, wo Aikido gelehrt und gelernt wird, wird es wohl anders interpretiert und doch bleiben die Grundregeln die gleichen. Und letztlich kann wohl niemand behaupten, wirklich genau zu wissen, was Meister Ueshiba wirklich beabsichtigte, wollte, im Detail. Man glaubt zu wissen, zu verstehen, zu erkennen, doch weiss man es? Wie er selber sagte: »..., wenn ich mich umdrehe, sehe ich niemanden, der mir wirklich folgt.«
Welcher Schluss kann aus dies allem gezogen werden? Dass es gefährlich ist, sich mit geschlossenen Augen einem Mythos hinzugeben, einem exotischen Etwas – oder noch schlimmer, einen Mythos aufzubauen, zu glauben und zu meinen, man wisse, wisse genau... . Und dadurch instabil zu werden, in seiner eigenen Wahrnehmung, nur weil etwas Fremdländisches, Andersartiges von einem Besitz nimmt... Ich bin mir sicher, doch auch dies ist eine Vermutung, dass dies nicht im Sinne von Meister Ueshiba wäre. Ich glaube aber, mir ganz sicher zu sein, dass es nicht im Sinne von Aikido, ganz bestimmt aber nicht im Sinne von Meister Ueshiba ist, sich seinem Lebenswerk, seinen Anhängern und »Jüngern« zu unterjochen. Es ist kein ausgesprochener Charakterzug von Aikido, dass es ist mit klarem Geist betrieben werden sollte, das ganze Leben verlangt in seiner Form nach einem klaren Geist, nach klaren Gedanken, nach Klarheit in seiner Struktur. Dann ist man auch gefeit vor Übergriffen wie sie anscheinend gerne zwischendurch von solchen vollzogen werden, die fruchtbaren Boden vor sich zu haben glauben, auf dem sie ihre Machtgelüste ausleben können.
Jeder muss sich also selber lieb sein, wie heftig er sich manipulieren lässt?! Und versuchen, bei aller Exotik und dem Reiz, sich einfach hinzugeben, weil anders, deshalb besser, zu widerstehen oder zumindest realistisch zu bleiben. Und sich auch zu wehren, da wo man es für richtig hält. Gehört dies nicht auch zum Gedankengut von Aikido?