Walter Oelschläger aus Bietigheim

Im Januar 1979 sind wir dann auf den Lehrgang zu Kobayashi Sensei gefahren


Walter während unseres Gespräches - 28. februar 2015

In der Ausgabe 84DE erwähnte ich im
Editoiral, dass ich drei Aikidoka in BW, genauer in Bietigheim-Bissingen
interviewte. Alle Drei schlossen sich H. Kobayashi an, nach dem sie entdeckten, dass es bereits 1980 einige Aikidostile mehr gab, als nur den »Einen«.
 
Lesen Sie hier das dritte Gespräch.


 


 


Walter Oelschläger: … neue Erkenntnisse, die ich entwickelte oder die ich in einem Zusammenhang sehe, bringen keinen Erfolg – ich kann diese zeigen und erklären, es bringt nichts – meine lieben Schüler und sicherlich nicht nur meine, fallen sofort in ihre gewohnten alten Muster zurück. Sie bemühen sich, klar – aber nur kurzzeitig, dann wandelt sich ihr Interesse und sie greifen auf ihr altes Muster zurück. Ein Problem ist, dass kein tägliches Training stattfindet, denn das was ich im letzten Training zeigte, das ist weg – keine Erinnerung, keine Prägung nichts. Es kommt das Muster durch, was sie auf einem gewissen Level irgendwann einmal als angenehm empfunden haben – da ist ja genau das Problem, da ist ein Gefühl, dass dir sagt, so ist es für mich stimmig … denn ist das für dich stimmig – das kann nach außen noch so schräg aussehen …
Das Interesse wecken – ich habe einige Gespräche mit Hiroshi Ikeada aus Border in Kalifornien geführt. Ikeda ist nicht der Gesündeste, er hat, wie er mir sagte, 7 Jahre lang gesucht um ein möglichst „kraftloses Aikido“, seiner Situation angepasst, hinzubekommen. Ich sah es bei den verschiedensten Brigde-Seminaren in Darmstadt, Le Vigan, Klausenburg etc., und wie die Teilnehmer mit offenem Mund zuschauten, was Ikeda da machte. Bei meinem Nachfragen hörte ich sehr oft – „das muss ich lernen“. Ein Interesse war geweckt. Die Bereitschaft, das bisher Erlernte wegzuschieben ist da. Es muss etwas passieren, geweckt werden – wie immer im Leben – „bekomme eins auf die Finger oder verbrenne ich mir diese sogar“ dann überlege ich …

W. O.: … es müsste sanktioniert werden, fast überall im Leben ist es so, das was in unseren Gesellschaften immer mehr ins Hintertreffen kommt – zum Beispiel im Straßenverkehr: Hältst du dich nicht an die Regeln, wirst du von der Polizei herausgeholt oder ein Unfall ist die Folge … Im Beruf, wenn du dich nicht anpasst, an das was von dir verlangt wird, dann bist du den Job schneller los als du ihn erworben hast. Im Wettkampfsport ist die Theorie das eine, auch wenn es heißt, wir müssen hinten dicht machen – wenn der Gegner aber doch ein Tor schießt, dann ist die schöne Theorie futsch. Also sofort reagieren und ändern. Im Aikido gibt es keine Sanktionen. Der Partner greift ja nicht wirklich an, der ist nett und lieb … ich bemängele das seit 30 Jahren, ich komme ja aus einer Stilrichtig DAB, zu Zeiten von Brand, Altenbrandt etc., „da wo der Uke weiß, jetzt habe ich angegriffen, jetzt muss ich fallen“. Uke weiß auch, wenn der Trainer zum Beispiel sagt, heute machen wir Shihon nage oder Kote gaeshi, dann weiß er während er die Angriffsbewegung macht, dass er rückwärts rollen muss – so bereitet er sich innerlich darauf vor. So kann keine Körperkommunikation entstehen – denn schon im ersten Schritt ist der Körper darauf trainiert „sich heraus zu drehen“. Uke weiß bereits vor dem Beginn der Technik, wie er seinen Körper hinaus windet. Wenn ich den festhalte, sprich etwa anderes mache, als das was er erwartet, dann können Knochen brechen – aber zum Glück macht man so etwas nicht im Aikido.
Man könnte es sanktionieren – wenn du dich da heraus schraubst, ohne dass du es musst, dann ist das dein Problem, aber … Ich bin froh, dass es einen Bereich gibt, wo der Blick für den Partner existiert, das ist sehr positiv. (lacht)

… es gibt aber sehr oft viel Spannung auf der Tatami.
W. O.: Meinst Du, nun ja – aber ich kann sagen, dass das bei mir nicht der Fall ist. In Frankreich habe ich das oft mitbekommen … das gefällt mir nicht. Wenn ein Motor 400PS hat und 250KM fahren kann, dann ist das vielleicht eine feine Sache, wenn dem Motor aber noch 10 Teile fehlen und er auf Vollgas betrieben wird, dann kann er schnell auseinander fliegen. Also „plus vite – plus fort“ ist nicht meine Sache. Wenn man Aikido beherrscht wie André [Cognard], dann kann man ein Aikido „plus vite – plus fort“ ausführen. Aber seine 80 Leute,  die in seinem Dojo sind, da gibt es keinen einzigen der die Techniken so kann wie er. Da sind vielleicht 5 die gut sind, aber dann ist da die große Masse – die ‘Gaußsche Verteilungskurve‘ – die eigentlich lernen wollen. Man kann unter dem Aspekt, „schneller – stärker“ nicht wirklich lernen, das geht nicht. Lernen kann ich, wenn ich präziser und feinfühliger werde, aber ohne Geschwindigkeit. Ein Impact, der schon fertig ist, bevor er gespürt wird, den kann ich nicht nachvollziehen. Ein Druck, der sich langsam aufbaut, da kann ich etwas spüren – den Verlauf „erspüren“. Ich kann aus der Wirkung durch Spüren gewinnen.
Ich setze der »schneller – stärker-Methode« nicht die meine dagegen, sondern daneben. Einfach eine unterschiedliche Methodik – das ist unabhängig von der Stilrichtung. Eine Frage der Mentalität. André ist eben Widder – und ich bin Löwe. (lacht)

… als Löwe geht es Dir natürlich gut, Du lässt ja die Damen für Dich jagen und haust Dir dann den Bauch voll. Glaubst du an die Sternzeichen-Mentalität? Ich kenne André nicht so gut, dass ich da mitreden könnte – aber, darauf sprach ich André schon oft an – die Mentalität, das Verhalten seiner Schüler auf der Tatami … Die Verhaltensweise fiel mir sehr schnell auf, eine Art von Überheblichkeit, die mir von vielen bestätigt wurde..

W. O: … wenn ich auf einen Lehrgang gehe, dann will ich ja etwas lernen. Lernen kann man mit einer erhöhten Aufmerksamkeit immer. Neues mit einem Partner in Einklang zu bringen kann schnell schiefgehen, deshalb ist es angebracht, langsam zu trainieren. Ich habe ja einige Stilrichtungen durch gemacht, ich kenne das Gegenteil zur genüge, wie ich es beim DAB lernte: Der Lehrer macht es 20-mal identisch vor, Angriff, Arm gefangen, eingetreten, Taisabaki und abgeworfen. Nachmachen – wenn man es ungefähr konnte, dann hat man losgelegt. Das war ein Ablauf, der reproduziert wurde. Aber, lernen? Wenn du etwas nach machst, dann ist zwangsläufig ein Verlust da. Der Lehrer – das behaupte ich jetzt mal – der macht es nicht zu 100%, sondern, sagen wir, zu 80% richtig. Was ja für die meisten Leute auf einem Lehrgang reicht. Der Lernende, der Schüler macht es maximal 50% richtig. Wenn du nun die 50% mit deinem Partner gebacken bekommst, du dies in Ordnung findest, dann erhöhst du die Intensität, weil du meinst, du kannst es. Wie willst du dich nun verbessern? 50% heißt ja auch, dass du auch 50% noch nicht kannst.
Wie bekommst du gesundheitsgefährdende Fehler in den Griff?
Wie soll ein Gesamtablauf zustande kommen?
Von der Idee einer Kampfkunst ganz zu schweigen. Du kannst das nun 15 Minuten intensiv üben, zirka 150-mal den Ablauf, das sind 150-mal, die Fehler der 50% mit in den Automatismus „eingeübt“. Denn der Automatismus übernimmt alles, er filtert nicht. Davor warne ich immer – ich mache mein Training gerne langsam – mein Argument ist, wenn ihr fünf Aspekte habt, vier davon könnt ihr toll und schnell, aber der Fünfte ist wichtig. Ohne den Fünften könnt ihr die andern vier vergessen …

… die Unkenntnis wird dann durch Kraft kompensiert.

W. O.: Durch Kraft und Geschwindigkeit. Der Uke merkt, wenn er sich ein wenig sperrt, dass dann durch die  Masse so viel Impuls da ist, er einfach mitgerissen wird – was ihm dann weh tut. Also hat er zwei Möglichkeiten, er blockt stärker um das ganz zu unterbinden oder er hat es gelernt – wie bereits vorher erklärt – er flüchtet bevor es weh tut … Wenn der Partner denkt, ich muss jetzt schnell weg, sonst tut es möglicherweise weh … dann verbindet er sich nicht mit mir, sondern nur mit sich selbst und seiner Angst.
Der Begriff des Musubi – das Zusammenführen des Ki – ist hier außen vor. Das ist nicht das was Aikidio vorgibt. Das ist Gymnastik. AiKi, das sind zwei Komponenten, die zusammengeführt werden müssen.  

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