Gespräch mit Pater Jonathan aus dem Kloster Münsterschwarzach.

Münsterschwarzach, an der Mündung


Pater Jonathan im Kloster Münsterschwarzach.

Nach seiner Auflösung wurde es 877 von München, vom 816 gegründeten Benediktinerklosters Megingaudshausen/Mfr. übernommen. In 10. Jahrhundert war das Kloster für mehrere Jahrzehnte verwaist. Im 11. Jahrhundert erlebte die Abtei eine Blütezeit. Abt Walter errichtete eine frühromanische Basilika (Weihe 1023), die Abt Egbert 1066 vollendete.

Münsterschwarzach schloss sich den Reformbewegungen von Gorze (1001 und 1047), Hirsau (ca. 1135) und Bursfelde (1480) an. 1525 verbrannten Archiv und Bibliothek. Im 30jährigen Krieg wurden die Mönche vertrieben (1635).

Im 18. Jhdt. erfolgte durch Josef Greising eine bauliche Erneuerung. Balthasar Neumann errichtete eine Basilika mit Kuppel und zwei Westtürmen. 1803 hob der bayerische Kurfürst das Kloster auf. Zahlreiche Gebäude wurden abgebrochen. 1913 wurde Münsterschwarzach durch die Mis-sionsbenediktiner von St. Ottilien wiedererrichtet 1935-37 erfolgte der Bau der Kirche. Von 1941-45 traf das Kloster erneut das Schicksal der Vertreibung der Mönche.

»Jonathan, wenn jemand auf die Homepage des Klosters Münsterschwarzach kommt und dort das Wort „Aikido“ findet, wird der nicht sehr verwundert sein?«

»Das kann schon sein. Es kommt auf die Vorstellung an, die jemand über Mönche und das Klosterleben hat. Wer allerdings weiss, dass die klösterliche Lebensform gerade für suchende (präziser: Gott-suchende und/oder Sinn-suchende) Menschen ist, dürfte sich über die Verbindung »Mönch und Aikido« nicht wundern – natürlich vorausgesetzt, ein Gespür für den geistig-philosophischen Hintergrund von Aikido ist vorhanden. Nicht ohne Grund wurde in Japan der Budo besonders auch von Mönchen praktiziert und in Klöstern gelehrt.«


»Wie bist Du gerade auf Aikido gekommen, warum nicht Gymnastik odgl.?»

»Weil mich genau dieser spirituelle Hintergrund des Aikido angesprochen hat. Mein Novizenmeister riet mir, ich solle doch etwas mehr für meinen Leib tun. Dass ich da auf ein Aikido-Wochenende stiess, war Zufall. Die Art und Weise wie der Leiter des Wochenendes (Norbert Mayer, München) Aikido als ganzheitlichen Weg vermittelt hat, war für mich ein Glücksfall. Seit der ersten Trainingsstunde hat Aikido sowohl mein Gefühl für meinen Leib auf eine positive Ebene gebracht, als auch meinem eigenen geistlichen Weg inspiriert. Ob Gymnastik bei mir das auch zu Wege gebracht hätte, wage ich zu bezweifeln.«


»Das Aikido hat Dich also im Kloster gehalten«

»Dank Aikido bin ich im Kloster geblieben. Es war Zeit, die Gelübde zu erneuern und ich war eigentlich auf dem „Absprung“. Ich fand heraus, dass ich persönlich ein solche Form suche und brauche, und dass es mir gut tut, wenn ich mich darauf einlasse. Ich habe das nie bereut, es sind seit damals immerhin 12 Jahre vergangen.


»Was hielt Dich, in den 10 Jahren ohne Aikido?«

»Mich hat der Gedanke persönlich fasziniert – „lerne, aufrecht zu fallen“. Also nicht dieses Bucklige, sich kleinmachen, sondern aufrecht zu Boden gehen können und schon wieder zu stehen. Dann hat mir der aufmerksame Umgang miteinander sehr zugesagt. Aber auch das Erlebnis des Übungsraums, den ich im Grunde wie einen heiligen Raum erlebe. Das kommt mir sehr entgegen. Und ich hatte all die Jahre in Erinnerung behalten, dass es mir sehr sehr viel Spass macht, meinen Leib weiterzubringen, zu spüren. Einfach zu merken, ich möchte endlich wieder mal dieses Rollen spüren, dieses Präsentsein.

Ich habe in dem ersten halben Jahr, als ich mit Aikido anfing, nach jedem Training regelmässig Brechreiz gehabt. Aber ich bin jedesmal wieder hingegangen, da stand die Devise „da musst du jetzt durch“.«


»Welche Aktion war es, die den Brechreiz erzeugte?«

»Das war eine körperliche Reaktion. Aber es könnte auch sein, dass es innerlich war, weil sich dadurch einiges „umgestülpt“ hat. Jetzt, im Nachhinein bin ich froh, dass ich so hart mit mir war, denn danach hatte ich viel Freude am Training, das in mir so vieles öffnete.

Zwischendrin habe ich immer wieder mal versucht, hineinzukommen aber irgendwie „kam es nicht“– es war nicht soweit. Erst 1996 hatte ich wieder solche Probleme, mit der Wirbelsäule bis hin zu Schultergelenksentzündungen. Das war so schlimm, dass ich meinem Leib versprechen musste „ich tue wieder was für dich, regelmässig, aber bitte, bitte werde wieder gut!“

Ich habe das versprochen, bin dann zum Einrenken und was da so alles gemacht wird, auch Spritzen gegen die Entzündungen habe ich erhalten.

Drei Tage später lese ich in der Zeitung, dass in Kitzingen eine Aikidogruppe aufgemacht wurde. „Wenn das kein Zeichen ist“!

Da bin ich hin, wir haben uns auch von Anfang an gleich gut verstanden und seitdem bin ich regelmässig dabei, ich werde mich hüten noch einmal abzuspringen. Mein Körper ist da mittlerweile knallhart mit mir, das muss er auch sein, er darf es auch sein. Seit ich regelmässig trainiere, habe ich keine körperliche Problem mehr.

In der Zeit, als ich kein Aikido betrieb, merkte ich, wieviel mir fehlte, zum Beispiel hat es mir, von seiner Idee her, „Rückgrad“ gegeben.
Dieses Präsentsein, alles in eine Richtung bringen, nicht so zerfleddert leben, sondern die Grundprinzipien, all dies ist bei mir weitergewachsen. Diesen Übungsweg, den wir als Mönche gehen, hält mir auch Aikido wach.

Jeder, der auf dem Weg ist, hat das gleiche Ziel. Wenn ich regelmässig meine Aikidoformen einübe, dann beherrsche ich irgendwann diese Formen, und wenn ich regelmässig meine Übungen in der Kirche mache, das Singen, das „aufeinandereinstimmen“ – 60 Männer zwischen 25 und 90 versuchen sich Tag für Tag fünf Mal auf eine einheitliche Tonhöhe zu einigen. Im Aikido muss ich das auch, wenn ich nur Ältere oder nur Anfänger habe, dann kann ich kein »Koshi nage« machen, den ich durchaus machen kann, wenn ich Fortgeschrittene da habe, die den fallen können. Wenn ich nur alte Mitbrüder hier habe, dann kann ich auf bestimmte gregorianische Gesänge verzichten, denn das hört sich dann grausam an. So habe ich dann für mich die Verbindungen gezogen.

Seitdem ich das hier regelmässig anbiete, hat mich besonders gefreut, das so viele junge Schüler darauf angesprungen sind. Ich habe es auch in den Jugendkursen, die wir mehrfach im Jahr hier haben, angeboten und da sind sicherlich schon 30–40 Jugendliche von hier aus ins Aikidotraining ausserhalb der Abtei gegangen. Ich durfte erleben, wie Freude ansteckt.«


»Wie sprichst Du die Jugendlichen hier in der angegliederten Schule an?«

»Ich biete meistens ein geistliches Thema an, auf dem Hintergrund einer Aikidobewegung z. B. das Fallen zu lernen. Das fängt dann z.B. damit an: „wo bin ich denn in diesem Jahr auf die Schnauze gefallen“. Was geschieht da mit mir? Die Angst, die Blamage etc. Dann kommt eine Einheit, von ganz unten das Fallen üben, die Vorwärtsrolle. Das lasse ich sie ausprobieren. Plötzlich meinen dann einige: „Ach ja, das hat ja wirklich was mit meinem Leben zu tun“!«

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